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Composable Commerce & Headless Commerce

Composable Commerce & Headless Commerce

Wie schafft man es, einen Onlineshop stetig weiter zu entwickeln und trotzdem stabil am Laufen zu halten? Die Antwort darauf bietet der Headless Commerce Ansatz. Und wie ist es möglich, spezialisierte Anbieter von Shop-Funktionen unter der Haube zu vereinen? Da lohnt sich ein Blick auf Composable Commerce.

Christopher Warnow

Berater & Entwickler

Was ist der Unterschied zwischen Composable E-Commerce und Headless Commerce?

Bei dem Headless Commerce Ansatz geht es um die Trennung des sichtbaren Teils eines E-Commerce Shops und der Technik im Hintergrund. Beim Composable Commerce wird die E-Commerce Plattform in einzelne austauschbare Module unterteilt.

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Inhalt des Webinars

  • Was steckt hinter dem Begriff Lean Commerce? 
  • Welche Möglichkeiten bietet True Composable Commerce? 
  • Wie gelingt die Integration von E-Commerce Bausteinen in SAP S/4HANA? 
  • Welche Vorteile bietet eine tiefe SAP-Integration beim Verkauf auf Marktplätzen?  

Was ist Headless Commerce?

Headless Commerce beschreibt eine Architektur im E-Commerce, bei der die Darstellung des Onlineshops (Storefront) von der technischen Plattform für Geschäftslogik (Backend) getrennt ist. Diese Trennung ermöglicht eine größere Flexibilität, Skalierbarkeit und eine bessere Performance des gesamten E-Commerce Systems.

Herausforderungen, die Headless Commerce nötig werden lassen

Der Begriff Headless Commerce wurde erstmals 2013 von Dirk Hoerig, dem Gründer von commercetools, geprägt. Vor der Einführung dieses Konzepts wurden Geschäftslogik, Datenbank und Shop-Darstellung in einer monolithischen Suite ausgeliefert. Dies führte zu mehreren Herausforderungen:

  • Selbst kleine Änderungen am Frontend, wie etwa an der Grafik oder dem Layout, erforderten den Neustart und das Deployment des gesamten Shops, was aufwendige Qualitätssicherungs- und Abstimmungsprozesse mit sich brachte.
  • Performance-Probleme auf der Backend-Ebene, beispielsweise bei der Preisberechnung, konnten sich direkt negativ auf die Darstellung des Shops auswirken und das Kundenerlebnis beeinträchtigen.
Headless Commerce

Wann funktioniert Headless Commerce?

Um diese Probleme zu umgehen, wurde eine Architektur eingeführt, die eigenständige Technologien für die Shop-Darstellung (Storefront) und die Geschäftslogik (Backend) verwendet. Die Kommunikation zwischen diesen beiden Systembereichen erfolgt über Webservices bzw. APIs (Application Programming Interfaces). Dadurch ergeben sich mehrere Vorteile:

  • Änderungen am Design oder an spezifischen Layouts können beim Headless Commerce unabhängig vom Backend vorgenommen werden.
  • Performance und Skalierbarkeit der Backend-Prozesse beeinträchtigen nicht die Geschwindigkeit und Darstellung des E-Commerce Shops.
  • Unternehmen können schnell auf Marktanforderungen reagieren, indem sie Anpassungen direkt in der Storefront vornehmen, ohne umfangreiche Backend-Deployments durchführen zu müssen.

Beispiel: Anpassung des Preis-Layouts in der Weihnachts-Saison

Ein anschauliches Beispiel für den Nutzen von Headless Commerce ist die saisonale Anpassung eines Onlineshops. Möchte ein Händler während der Weihnachtszeit das Layout der Preisanzeigen ändern, kann dies direkt in der E-Commerce Storefront umgesetzt werden, ohne dass Entwickler für die Geschäftslogik involviert sind. Dies führt zu einer erheblichen Zeitersparnis durch Headless Commerce und einer besseren Reaktionsfähigkeit auf Markttrends.

Was bedeutet Composable Commerce?

Composable Commerce ist eine Weiterentwicklung des Headless-Commerce-Ansatzes, die sich nicht nur auf die Entkopplung von Frontend und Backend beschränkt, sondern auch die Backend-Geschäftslogiken in modularen Bausteinen organisiert. Einzelne Funktionalitäten, wie beispielsweise Preisberechnung oder Auftragsabwicklung, werden als eigenständige Pakete behandelt und über API-Schnittstellen lose miteinander gekoppelt. Dadurch können Unternehmen flexibel auf neue E-Commerce Anforderungen reagieren und spezifische Funktionen je nach Bedarf austauschen oder erweitern.

Wie hängen Composable Commerce und Headless Commerce zusammen?

Folgt man dieser Logik, ist die Storefront auch nur ein Modul und könnte ausgetauscht werden. Das Backend bliebe in den Szenario bestehen. Somit funktioniert Headless-Commerce als eine konkrete Ausprägung des Composable Commerce Ansatzes.

Seit wann gibt es Composable Commerce?

Der Begriff Composable Commerce wurde erstmals 2020 in einer Studie von Gartner mit dem Titel „Composable Commerce Must Be Adopted for the Future of Applications“ erwähnt. Dabei wird das Konzept von Business Capabilities als zentrale Bausteine definiert, die es Unternehmen ermöglichen, ihre individuellen Geschäftsziele zu erreichen.

Beispiel: Austausch eines Preis-Services

Ein praxisnahes Beispiel ist der Austausch des Preisberechnungsdienstes. Statt die Preisberechnung im Backend durchzuführen, wird sie aus einem ERP-System ausgelesen. Entwicklung und Testings können in einem separaten Bereich erfolgen, während die E-Commerce Storefront stabil weiterläuft. Nach der Implementierung des neuen Preis-Services kann die Darstellung in der Storefront schneller und sogar kundenindividuell erfolgen, ohne dass das gesamte System angepasst werden muss.

Monolithic vs. Composable

Wie kann eine Firma durch Composable Commerce schneller auf Marktveränderungen reagieren?

Ein Beispiel hierfür ist eine Firma, die in mehreren Ländern Onlineshops betreibt, wobei jedes Land eigene Geschäftsprozesse oder Logistikpartner hat. In einer klassischen monolithischen E-Commerce Architektur müsste vor jedem Release die gesamte Shop-Software aller Länder getestet werden, um sicherzustellen, dass alle Länder weiterhin reibungslos funktionieren. Dies führt zu hohen Abstimmungsaufwänden und verlangsamt die Release-Zyklen.

Mit Composable Commerce ist es möglich, spezifische Backend-Dienste nur für einzelne Länder oder Geschäftsbereiche zu aktualisieren, ohne den Rest des Systems zu beeinflussen. Wenn beispielsweise in Land A der Logistikanbieter B durch C ersetzt wird, übernimmt das Backend die Kommunikation mit dem neuen Anbieter, ohne dass die Shops in anderen Ländern beeinträchtigt werden. Dadurch bleibt der gesamte Shop stabil und kontinuierlich verfügbar.

Welche Vorteile hat Composable Commerce?

  • Schnellere Umsetzung neuer Anforderungen: Einzelne Komponenten können gezielt aktiviert oder ausgetauscht werden, ohne das gesamte System zu beeinflussen.
  • Erhöhte Systemstabilität: Updates und Änderungen wirken sich nur auf die betroffenen Services aus, wodurch das Gesamtsystem stabil bleibt.
  • Reduzierte Fehlerquote und Seiteneffekte: Da Komponenten unabhängig voneinander getestet und implementiert werden können, entstehen weniger unerwartete Fehler.
  • Einfache Integration spezialisierter Anbieter: Unternehmen können gezielt die besten Anbieter für bestimmte Funktionen in ihre E -Commerce Plattform einbinden.
  • Kosteneffizienz: Es werden nur die Komponenten lizenziert, die tatsächlich benötigt werden, wodurch unnötige Kosten vermieden werden.

Herausforderungen von Composable Commerce

  • Hohe initiale Entwicklungskosten: Die Entwicklung einer eigenen Storefront kann kostspielig sein. Unternehmen sollten daher Anbieter wählen, die bereits aufeinander abgestimmte Storefront- und Backend-Komponenten anbieten.
  • Orchestrierung der einzelnen Komponenten: Das Backend muss in der Lage sein, die verschiedenen Services effizient zu verwalten. In einigen Fällen ist eine zusätzliche Prozessschicht erforderlich, um die Services zu koordinieren.
  • Technische Schnittstellenkompetenz: Entwickler müssen sicherstellen, dass die Storefront reibungslos mit neuen Backend-Komponenten interagieren kann.
  • Übersicht der Lizenzkosten: Da mehrere spezialisierte Komponenten genutzt werden, können sich Fixkosten summieren.

Fazit

Composable Commerce und Headless Commerce bieten innovative technologische Ansätze für die Architektur komplexer Onlineshops. Durch die Entkopplung von Frontend und Backend ermöglicht Headless Commerce mehr Flexibilität und Skalierbarkeit. Composable Commerce geht noch weiter und erlaubt eine modulare, API-gesteuerte Systemgestaltung.

Obwohl diese Konzepte leistungsstark sind, sind sie kein Allheilmittel für jeden Onlineshop. Die Implementierung erfordert technische Kompetenz, Kostenkontrolle und Orchestrierung der E-Commerce Komponenten. Besonders für Unternehmen mit komplexen Anforderungen bieten sie eine zukunftssichere Alternative zu monolithischen Systemen. Der richtige Einsatz entscheidet über den Erfolg – nicht jede Shop-Architektur profitiert automatisch davon.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

API Bedeutet Application Programming Interface. Im Kontext von Composable und Headless Commerce sind REST Webservices gemeint. Der Begriff REST wurde im Jahre 2000 durch Roy Fielding in seiner Dissertation geformt.

Technische Schübe ließen APIS für den Composable Commerce Ansatz ausreifen

APIs und ihr Einsatz haben sich entlang wirtschaftlicher und technologischer Entwicklungen ausgereift. Technologische Schübe gab es in den Nullerjahren durch immer schneller werdendes Internet. Durch die Anforderungen des Software-as-a-Service Ansatzes ab ca. 2015 verschwand der Gedanke der Computer-Nutzer, eine Software auf dem eigenen Computer zu nutzen. Mit dem darauf aufsetzenden jüngsten Trend des Cloud Computing ab den 2020ern, sind APIs das ausgefeilte Schmieröl dieser Architekturen.

APIs ermöglichten neue Geschäftsmodelle bis hin zu Composable Commerce und Headless Commerce

Neben der technologischen Dimension ermöglichten APIs neue Geschäftsmodelle und formten die letzten 20 Jahre so weit, dass dies nun in einem Composable Commerce bzw. sogar Composable Business Ansatz kulminiert. Der erste Beweis dafür, dass mit APIs Geld verdient werden kann waren zur Jahrtausendwende Amazon, Salesforce und Ebay. Durch ihre APIs konnten das erste Mal im Internet Produkte nicht nur auf einer Website, sondern überall verkauft werden.

In den Nullerjahren wurde Social-Content in die Wertschöpfungskette aufgenommen, indem man Flickr-Bilder oder Facebook-Profildaten zweitverwerten konnte. Kurz darauf gab Amazon 2006 die S3 Storage Service bekannt, wodurch Systemarchitekturen auf API Basis erfunden wurden. 2007 wurde das Iphone und 2008 das Android Phone vorgestellt, wodurch APIs mit Google-Maps und Location-Basierten Apps wie Foursquare die Hosentaschen zu Points of Sales transformierten.

Dieser Drive führte am Ende zu der ultimativen Geschäftsidee des API-as-a-Product (AaaP). Das bedeutet, dass eine API die zentrale Monetarisierungsquelle einer Firma darstellt. Eines der ersten erfolgreichen Geschäftsmodelle dieser Art entwickelte Twilio 2008. Die API ermöglichte es, Telefonanrufe oder Textnachrichten zwischen Handies zu versenden. Es folgen Algolia für Such-Services in Websites oder Stripe für Online-Zahlungen.

Composable Commerce Roundup

Nun kommt der Sprung zurück zum Composable Commerce. Das Geschäftsmodell, des API-as-a-Product konnte sich 10 Jahre lang professionalisieren, sodass 2020 das Composable Commerce ausgerufen wurde. Es ist das intellektuelle Framework für eine Geschäftswelt, in der diese Firmen zu einem Gesamterlebnis zusammenfinden.

Composable Commerce siedelt sich in der Traditionslinie von Software-as-a-Service über Cloud Computing zur API Economy an. Zum Beispiel war Shopify ein Shopsystem, welches nicht von den Kunden installiert werden musste, sondern bereits online zur Verfügung stand.

Neben dem Shop-as-a-Service haben sich in den letzten Jahren weitere Spezialisierungen wie Search-as-a-Service oder Fullfillment-as-a-Service entwickelt.

Composable Comerce trifft API Economy

Aktuell bzw. seit 2021 sind Cloud Software Einnahmen die großen Treiber bei Firmen wie Salescloud und SAP. Diese technologische Welle schiebt schon die nächste an, die der API Economy. Laut Fortune Buiness Insights werden bis 2032 jährliche Wachstumsraten von 25% erwartet. Die API Economy beschreibt einen Geschäftsmodus, bei dem die technische Infrastruktur mit Hilfe von API-basierten Services geformt wird.

Der Headless Commerce und SAP Composable Ansatz bewegen sich in dem Spektrum zwischen Best-of-Breed Ansatz einerseits und dem All-in-One Ansatz andererseits. Bis ca. 2015 wurden in IT-Systemlandschaften entweder verschiedenste kleine Programme installiert, die jeweils Ihre Arbeit perfekt verrichteten. Aber sie konnten untereinander nicht kommunizieren und so spricht man von Datensilos.

Im E-Commerce Kontext heißt das, dass man nach einer Bestellung in einer Firma anruft und diese nicht die Bestellhistorie einsehen kann, da die Kundennummer aus Shop und Warenwirtschaft unterschiedlich sind.

Composable Commerce bewegt sich zwischen All-in-One und Best-of-Breed

Am anderen Ende des Spektrums steht dagegen der Monolith. Eine überdimensionierte Suite, bei der nur ein Bruchteil der Features benutzt werden, aber die ganze Lizenz bezahlt wird.

Ein Kompromiss ist der Plattform Gedanke, bei der eine Firma unterschiedliche Lösungen bereits stellt, diese aber von Haus aus miteinander sprechen können. Für einen E-Commerce Kunden beutet das, dass er in seinem Account Bereich schonmal den Status von Service Tickets einsehen kann. Aber trotz dieser Annehmlichkeiten zwickt der Vendor-Lock auf der Soll-Seite und man fühlt sich nicht wohl bei nur einem Anbieter.

Hier kommt der Composable Ansatz ins Spiel. Die Plattform öffnet sich dem Markt und einzelne Features können durch Spezialanbieter ersetzt werden. Fast wie Best-of-Breed nur mit Daten.

Composable Commerce zwischen All-in-One und Best-of-Breed

Programmier-Patterns für Headless Commerce

Composable ist nicht neu, findet sich nur in einem neuen Gewand. Das sind Java Patterns, die es Entwicklern ermöglichen bestimmte Geschäftslogiken auf programmierebene en- und auszuschalten. Der Vater dieses Ansatzes ist die Objektorientierte Programmierung. Der Onkel ist das MVC-Pattern. Ein Programmieransatz, welches die Darstellung von Software entkoppelt (View) von deren Geschäftslogik (Controller) und den einzelnen Daten (Model). Warum? Damit es keinen fehlerhaften Spaghetticode gibt.

Der Composable Ansatz ist hier der neue Sprößling, der seine eigenen Wege gehen muss. Wenn die einzelnen Komponenten vermengt werden, kann das schnell ebenfalls Spaghetti-Architektur ergeben. Ob das eine Middleware oder ein Business Process Engine löst, ist aktuell noch offen.