„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ – Dieses Zitat lässt sich perfekt für die Bearbeitung von Kundenaufträgen anwenden.
So liegen zwischen Auftragseingang und Rechnungsstellung viele Einzelschritte, die gemeinsam das große Ganze ergeben.
Gleiches gilt insbesondere für das Zusammenspiel der SAP-Lösungen SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) und SAP Transportation Management (SAP TM).
Erst wenn diese beiden Komponenten perfekt synchronisiert arbeiten, ergibt sich aus logistischer Sicht ein reibungsloser Auftragsabwicklungsprozess.
Die Folgen fehlender Synchronisation von Transportplanung und Lagerwirtschaft
Ein Auftragsabwicklungsprozess in SAP lässt sich vereinfacht mit folgender Belegkette beschreiben: Kundenauftrag – Lieferung – Kommissionierung – Verpacken – Transportplanung – Transportausführung – Fakturierung. Mit „Lieferung“ ist hier allerdings nicht der physische Lieferprozess gemeint, sondern der SAP-Folgebeleg des Kundenauftrags, der die Grundlage für weitere Prozessschritte bildet.
Wenn jetzt die Transportplanung nicht mit der Lagerwirtschaft kommuniziert, können folgende (beispielhafte) Konstellationen eintreffen:
- Die Ware wird kommissioniert, gepackt und bereitgestellt, obwohl die Ausführung des Transports zu einem ganz anderen Zeitpunkt erfolgt.
- Ein Transport ist geplant, ein eigenes Fahrzeug oder ein Speditionsfahrzeug warten an der Rampe und die Ware steht nicht bereit.
- Die bereitgestellte Ware überschreitet oder unterschreitet die Transportkapazitäten des Fahrzeugs.
Transportplanung und Lagerwirtschaft ohne SAP-Integration
Grundlage der Transportplanung ist immer eine Frachteinheit – dies ist die kleinste, unteilbare Einheit, die transportiert wird. Diese Frachteinheiten werden vereinfacht dargestellt und entweder aus Kundenauftragspositionen (auftragsbasierte Planung) oder aus Lieferpositionen (lieferbasierte Planung) in SAP TM gebildet.
Der Disponent plant dann genau diese Frachteinheiten in einen Frachtauftrag. Der Frachtauftrag bildet somit die Summe aller Frachteinheiten, die gemeinsam transportiert werden – entweder durch den eigenen Fuhrpark oder durch eine Spedition.
Es besteht die Option, innerhalb eines Frachtauftrags sogenannte Sendungen zu bilden. Diese können genutzt werden, um Transportanforderungen gemäß diverser Kriterien zu gruppieren. Bis zum Release S/4HANA 2022 war dies nur mit einem Frachtauftrag möglich.
Die Sendung wird ähnlich wie eine Frachteinheit dem Frachtauftrag zugeordnet. Aus Kostenberechnungs- und Abrechnungssicht ist es hilfreich, dass die Kostenberechnung nun entweder auf der Grundlage des Frachtauftrags oder der Sendung erfolgt.
Die Abrechnung über die Sendung wird vor allem im Bereich von Stück- und Sammelgut Vorteile bieten können, da so eine Abgrenzung zum physischen Transport geschaffen wird, welcher immer noch mit dem Frachtauftrag abgebildet wird.
In der Lagerwirtschaft dagegen stellt die Auslieferung die einzige Grundlage für den Kommissionierprozess dar. Der Auslieferungsauftrag ist eine Kopie der Auslieferung, der durch den Lagerarbeiter bearbeitet und abschließend auf ERP-Ebene in Form der Warenausgangsbuchung und Handling Units fortgeschrieben wird.
In Abbildung 2 ist ersichtlich, dass Lagerwirtschaft und Transportplanung ohne Integration zwei völlig selbständige Logistikplanungen darstellen können, die sich im Extremfall sogar widersprechen können.
Die „alte“ Lösung: Integration über Transporteinheiten
Der ursprüngliche Lösungsansatz stellte die Verbindung von SAP TM zu SAP EWM über das SAP EWM-Objekt „Transporteinheit (TE)“ her. Dies ist die kleinste beladbare Einheit, die zum Transportieren von Waren verwendet wird. Eine Transporteinheit kann ein LKW, ein Anhänger, ein Seefrachtcontainer oder auch der Wagon eines Zugs sein.
Die Integration findet wie folgt statt: Entweder führt der Kundenauftrag oder die Auslieferung zur Bildung von Frachteinheiten, die dann auf einen Frachtauftrag geplant werden. Über die LDAP-Schnittstelle (LDAP = Loading Appointment) werden in SAP EWM dann Transporteinheiten gebildet – quasi das EWM-Gegenstück zum Frachtauftrag.
Die Lageraufgaben zur Kommissionierung werden quittiert und die Packstücke werden in der Transporteinheit fortgeschrieben sowie über die LDAP-Schnittstelle in den Frachtauftrag repliziert.
Dieser Ansatz hat sich in der Praxis nur bedingt durchsetzen können. Einerseits zeichnet sich die Integration über Transporteinheiten durch geringe Flexibilität und Anpassbarkeit an Kundenanforderungen aus. Andererseits monierten Anwender die asynchrone und nicht immer stabile Schnittstelle sowie die herausfordernde Bedienung.
Die „neue“ Lösung: Integration mittels „Advanced Shipping & Receiving” (ASR)
Die ASR-Integration (deutsch: Erweiterter Warenannahme- und Versandprozess) stellt seitens SAP die neueste Form der Integration zwischen SAP TM und SAP EWM dar. Dieses Szenario basiert auf sogenannten background RFCs (bgRFC) und bietet dadurch einen Echtzeitaustausch zwischen SAP TM und SAP EWM.
Ein Vorteil dieser Integration ist, dass keine redundanten Business Objekte benötigt werden, sondern direkt mit dem jeweiligen Objekt aus SAP TM, dem Frachtauftrag, gearbeitet wird. Die Transporteinheit kann komplett entfallen – die Integration findet direkt über den Frachtauftrag statt.
Zusätzlich bietet diese Variante der Integration über die App “Frachtaufträge laden und entladen” die Möglichkeit, aus dem SAP TM heraus SAP-EWM-Aktivitäten durchzuführen, wie zum Beispiel die Buchung des Warenausgangs. Auch die Zuweisung und das entsprechende Laden an Lagertoren ist durch Integration plan- und ausführbar.
Mit dieser neuen Integrationsarchitektur sind jetzt alternative Arbeitsweisen möglich.
Im lagergesteuerten Szenario ist die Lagerabwicklung zunächst nicht gesperrt, und die Transportplanung findet entweder parallel zur Lagerabwicklung oder danach statt. Dieses Szenario kann verwendet werden, wenn beispielsweise ein technischer Großhändler täglich Aufträge erhält, die innerhalb der nächsten 24 Stunden versendet werden. Hier dominiert die Lageraktivität die Transportplanung, da die kurze Zeitspanne zwischen Auftragseingang und Auslieferung keine langfristige Transportplanung erlaubt.
Mit der Erstellung der Auslieferung werden zeitgleich eine Frachteinheit in SAP TM als auch ein Auslieferungsauftrag in SAP EWM gebildet. Nachdem die Kommissionier-Lageraufgaben quittiert sind, können die Waren in Versand-Handling-Units (Versand-HUs) in EWM gepackt werden.
Hier findet je nach Systemkonfiguration bereits ein Update auf die Lieferung statt. Sobald die Versand-HUs fertiggestellt und zum Laden bereitgestellt wurden, kann der Versandbereitschaftsstatus in SAP EWM auf „9 – Bereit“ gesetzt werden. Das System aktualisiert dann über die ASR-Schnittstelle die Frachteinheit in SAP TM mit den gepackten HUs.
In TM wird (mit diesen HUs) ein Frachtauftrag erstellt und die Frachteinheiten, die für den Versand bereit sind, werden auf diesen geplant. Wenn einige der Frachteinheiten dem Frachtauftrag nicht zugeordnet werden, wird gegebenenfalls ein Auslieferungsauftragssplit ausgelöst.
Graphisch nicht mehr dargestellt sind folgende Schritte: Sobald der Frachtauftrag erstellt ist und den Status „Bereit für Transportausführung“ hat und die Auslieferungsaufträge den Status „Für Versand bereit“ haben, kann in SAP EWM das Laden über die App „Frachtaufträge laden oder entladen“ oder mit einem mobilen Endgerät durchgeführt werden. Wenn das Laden abgeschlossen ist, werden die Informationen der Lageraktivitäten in den Frachtauftrag in TM mit einer entsprechenden Statusänderung übertragen.
Im transportgesteuerten Szenario dagegen wird die Lagerabwicklung zunächst gesperrt, und die Transportplanung findet ganz oder teilweise statt, bevor die Lagerabwicklung beginnt. Diese Vorgehensweise eignet sich daher besonders für Unternehmen, bei denen zwischen Auftragserfassung und physischer Auslieferung ein entsprechend großer Zeitraum für die Transportplanung existiert. Der Transport steuert somit die Lageraktivitäten.
Der Prozess kann wie folgt ablaufen: Grundlage für die Transportplanung sind erneut Frachteinheiten, die als Beispiel aus Kundenauftragspositionen gebildet werden.
Alternativ könnten sie auch aus Lieferpositionen gebildet werden. Diese Transporteinheiten werden auf Frachtaufträge – und optional Sendungen – geplant. Ist die Transportplanung abgeschlossen, so kann durch Setzen eines Status im Frachtauftrag die Lieferanlage angestoßen werden. Diese Lieferungen werden als Auslieferungsaufträge an das SAP EWM übergeben. Allerdings bleiben diese so lange für die Abarbeitung gesperrt, bis eine Freigabe in SAP TM erfolgt.
Damit ist sichergestellt, dass die Transportplanung vor der Kommissionierung und dem Verpacken abgeschlossen ist. Die Ergebnisse werden in der Auslieferung und dem Frachtauftrag fortgeschrieben. Die weitere Prozessfolge entspricht dann der vorherigen Variante der lagergesteuerten Ausführung.
Einschränkungen der ASR-Integration
Die ASR-Integration steht aktuell dann zur Verfügung, wenn
- sowohl SAP EWM und SAP TM als embedded Komponenten in SAP S/4HANA betrieben werden oder
- SAP EWM und SAP TM auf einer Instanz dezentral betrieben werden.
Ein hybrides Szenario, bei dem eine der beiden Komponenten embedded und eine Komponente dezentral betrieben wird, wird nicht unterstützt. Darüber hinaus gilt zu beachten, dass das häufig von Kunden geforderte lieferübergreifende Verpacken noch nicht unterstützt wird. Dies ist hingegen bei der TU-Integration möglich. Die SAP SE ist hier bereits jedoch in der Planung, auch diese Funktion für die ASR-Integration bereitzustellen.
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