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Brexit – Ist auch Ihr SAP-System betroffen?

Seit April 2016 ist der Brexit ein heiß diskutiertes Thema. Unternehmen mit Handelsbeziehungen zu Großbritannien (GB) sind in der Pflicht, sich auf den Austritt vorzubereiten. Was es in diesem Zusammenhang bei einem eingesetzten SAP-System zu beachten gilt, beantwortet Helmut Seifert, Senior Consultant bei FIS, im Interview.

Melanie Weißmüller: Helmut, als Senior Consultant im Support war es sicherlich unabdingbar, sich intensiv mit dem Thema Brexit und dessen Folgen für SAP-Systeme zu beschäftigen. Wie können sich Unternehmen, die SAP im Einsatz haben, ideal auf die konkreten System-Anpassungen vorbereiten? Gibt es Punkte oder Arbeitsschritte, die vor der Adaption von Parametern geprüft oder durchgeführt werden sollten?

Helmut Seifert: Es ist in jedem Fall empfehlenswert, die bestehenden Geschäftsbeziehungen hinsichtlich ihrer Relevanz zu betrachten. Folgende Lieferungen von Waren und Dienstleistungen sind betroffen: Lieferungen von Großbritannien in den EU-/Nicht-EU-Raum oder nach Nordirland, Lieferungen aus Großbritannien, die aber in Verantwortung eines ausländischen Unternehmens stehen – also aus dessen Werken im Ausland kommen.

Melanie Weißmüller: Nachdem ich meine Geschäftsbeziehungen geprüft habe, geht es im nächsten Schritt also um das SAP-System selbst: Welche Bereiche sind hinsichtlich der Anpassungen zu sichten? Ist hier zwischen verschiedenen SAP-Versionen, Release-Ständen oder ähnlichem zu unterscheiden?

Helmut Seifert: Grundsätzlich muss nicht zwischen verschiedenen SAP-Versionen oder dem Release-Stand unterschieden werden. Unabhängig vom eingesetzten SAP-System sind jedoch stets die Bereiche „Customizing, Stammdaten, Programmierung, Steuerermittlung, Steuermeldung und Reporting“ auf erforderliche Einstellungsänderungen hin zu prüfen.

Melanie Weißmüller: Diese unterschiedlichen Einstellungsparameter variieren vermutlich in den Unternehmen. Daher ist sicherlich eine individuelle Betrachtung ratsam. Gibt es dennoch bestimmte Adaptionen, die für jedes Unternehmen gleichermaßen gelten?

Helmut Seifert: Es gibt durchaus diverse Parameter in den SAP-Systemeinstellungen, die durch den Brexit generell anzugleichen sind. Im Bereich „Customizing“ ist beispielsweise die zentrale Ländertabelle zu aktualisieren: Das Kennzeichen „Mitglied der EU“ ist für das Land Großbritannien zu entfernen. Daraus ergeben sich schließlich Auswirkungen auf die Stamm- und Bewegungsdaten, was allerdings mit dem Einspielen von SAP-Hinweisen abgefangen werden kann. Auch zum Stichwort „Umsatzsteuer“ sind gewisse Anpassungen zu berücksichtigen, da nach dem Austrittsdatum alle relevanten Ein- und Verkaufsbelege eine Nicht-EU-Besteuerung enthalten müssen – hier gilt es insbesondere die Konditionssätze im SD zu betrachten.

Melanie Weißmüller: Diese von dir genannten zwei Schritte – die Prüfung der eigenen Geschäftsbeziehungen sowie die anschließenden Anpassungen im SAP-System – sind also wichtige Aktivitäten vor dem Brexit-Termin. Ihr zeitlicher Aufwand ist sicherlich nicht zu unterschätzen. Helmut, lässt sich eine Empfehlung aussprechen, wann die Systemeinstellungen frühestens beziehungsweise spätestens angepasst sein sollten?

Helmut Seifert: SAP hat mehrere Hinweise herausgegeben, die bereits im Vorfeld – also auch heute schon – eingespielt werden können. Darüber hinaus rät SAP für spezielle Einstellungen, wie zum Beispiel das bereits erwähnte Entfernen des EU-Kennzeichens, diese erst zum Stichtag des Brexits vorzunehmen. Es gibt aber auch Anpassungen, die frühestens nach der jeweilig letzten Transaktion vor dem Brexit-Termin erfolgen können. Hiervon betroffen ist beispielsweise die Verschiebung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in den Stammdaten der Geschäftspartner. Insofern ist es insgesamt unerlässlich, den Überblick zu behalten: Sowohl über die relevanten Systemadaptionen als auch über deren Anpassungszeitpunkt und -status (Anpassung „bereits vorgenommen“ oder „noch offen“). Bei SAP S/4HANA Cloud-Produkten ergibt sich dagegen ein kleiner Vorteil, denn SAP führt bestimmte Aktionen dort direkt selbst aus. Um kurz vor dem offiziellen Brexit-Datum allerdings nicht unter Zugzwang zu gelangen, sollten sich Unternehmen möglichst frühzeitig mit den relevanten Systemadaptionen auseinandersetzen.

Melanie Weißmüller: Helmut, vielen Dank für die ausführliche Antwort. Der maßgebliche Zeitpunkt für diese Anpassungen kann im Falle des „harten“ Brexits ohne vertragliche Regelung bereits in Kürze anstehen. Folglich müssten viele Unternehmen ad hoc aktiv werden. Müssen Unternehmen bei den SAP-Systemanpassungen unterscheiden, ob es zu einem „harten“ oder „weichen“ Brexit kommt?

Helmut Seifert: Generell sind die Adaptionen im SAP-System bei einem „harten“ wie „weichen“ Brexit identisch, lediglich der Zeitpunkt der Anpassungen variiert. Es gilt abzuwarten, welche Entscheidungen GB in der nächsten Zeit trifft und welcher Brexit-Kurs letztendlich eingeschlagen wird.

Der britische Rückzug aus der EU wird eintreten – auch wenn aktuell Zeitpunkt sowie allgemeine wirtschaftliche Auswirkungen noch nicht exakt absehbar sind. Ausgehend davon ist es für Unternehmen demzufolge umso bedeutender, sich frühzeitig auf die neue Situation einzustellen und möglichst viele betroffene Faktoren – darunter auch das eigene SAP-System – zeitgerecht anzupassen.

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